Aus der Wüste zur Reitpferdeprüfung

Rasse-Brandzeichen für Araber der Rasse Meneghie - Shagya-Araber Entstehung
Rasse-Brandzeichen Staatsgestüt Bábolna für Araber der Rasse Meneghie

Auf einem Pedigree kann man nicht reiten, ein Satz, den wohl jeder Reiter kennt. Aber ein Pedigree, und gerade das eines Shagya-Arabers kann ein Ausgangspunkt für eine spannende Reise in die Vergangenheit sein. Bis ins 18. Jahrhundert reichen manche Stammbäume zurück. 

 

Da wir mit unseren Pferden vor allem an Spring- oder Dressurprüfungen teilnehmen, war ich neugierig, welche Stuten und Stutenfamilien bis heute mit Platzierungen in den FN-Erfolgsdaten gelistet sind. Insgesamt habe ich Stand heute (28.01.2019) 55 Stuten in der Datenbank gefunden. Von ihnen waren 6 in der letzten Saison am Start

 

Einige dieser 55 Stuten waren im Sport sehr erfolgreich, andere sind vor ihrem Einsatz in der Zucht nur wenige Prüfungen gegangen. Ein paar von ihnen möchte ich in Zukunft hier in einer losen Reihe vorstellen.

 

Den Anfang macht die 1973 geborene Stute Marzalla von Mersuch (D) (5072 Mersuch V-2) aus der Gazala I (Gazal VII-6); Babolner Stutenfamilie 143 Schmed db 1857 geb. 1850:

Die Gründerstute Schmed

 

Die Gründerstute 143 Schmed (db) wurde 1850 bei den Wuold Ali-Beduinen geboren und kam 1857 über die Pferde-Ankaufs-Mission unter der Leitung von Oberst Ritter Rudolf von Bruderman nach Bábolna, wo sie bis 1870 im Zuchteinsatz war. 

 

Während frühere Missionen hauptsächlich den Auftrag hatten orientalische Hengste für die Veredlung der Pferdezucht in der K u. K-Monarchie anzukaufen, war Brudermann mit deutlich weitreichenderen Vollmachten ausgestattet, die auch den Ankauf einer größeren Anzahl von Stuten umfasste, wie Oberleutnant Eduard Löffler in seinem Reisebericht zur Pferde-Ankaufs-Mission 1856/57 schreibt*.

 

Begibt man sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Stutenfamilie, dann findet man als eine der ersten Quellen neben dem Buch über Bábolna von Dr. Walther Hecker** einen Artikel in der Wiener Zeitung Ausgabe No. 176 vom Dienstag, den 4. August 1857. Hier erschien auf S. 2231 ein Bericht über den Besuch des Kaiser in der Filiale des Hofgestüts Lipizza in Prestranegg (Prestranek) am 28. Juli 1857. Der Bericht vermerkt, dass der K.u.K. Oberste Brudermann aus seinen beiden Ankaufsmissionen 1856/57 insgesamt 16 Hengste, 46 Stuten (44 tragend) und 11 Fohlen aus Syrien über Triest nach Prestranegg brachte, von wo aus die Pferde in die Gestüte Bábolna, Mezőhegyes, Radautz und Lipizza aufgeteilt wurden. Eduard Löffler schreibt in seinem Reisebericht hierzu: "Für das Hofgestüt Lipizza hatte der Oberst den Auftrag gehabt zwei Hengste und sechzehn Stuten, sämmtliche von der Schimmelfarbe zu kaufen, die somit in jenes Gestüt kamen, während der Rest, aus 14 Hengsten und 32 Stuten, dann den Füllen bestehend, in das Militär-Gestüt nach Bábolna überführt wurde [...]." In der Jagd-Zeitung (Verlag

Wallishausser) vom 31. Januar 1859 finden sich Angaben, nach denen 50 Stuten und 16 Hengste angekauft wurden, von denen 38 Stuten und 7 Hengste in Bábolna aufgestellt wurden. 

 

Der Autor der Wiener Zeitung merkt an, dass "Wer die hier eben in vortrefflichstem Zustand versammelten unvergleichlichen Prachttiere, die nach jeder Richtung des Bedarfs umsichtig ausgewählt wurden, sieht", der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Expedition nur Bewunderung entgegenbringen kann. In der folgenden Auflistung der aus Syrien eingeführten Pferde wird die Stute Schmed, die anschließend nach Bábolna gebracht wurde als "Schwarzbraun ohne Zeichen" beschrieben. In Bábolna erhielt diese Stute dann die Stutbuchnummer 143 und begründete dort die Stutenfamilie 143 Schmed db 1857 geb. 1850.

 

Im Österreichischen und Ungarischen Gestütbuch Band 1 von 1867*** sind für die Stute Schmed Nummer 143 folgende Nachkommen verzeichnet:

 

SCHMED (Nr. 143).

(K. K. Militär-Gestüt Bábolna.)

Br. St., geboren 1850, bei dem Beduinenstamm Vuold Ali,

Race Meneghie.

Eingeführt aus Syrien durch Hrn. General v. Brudermann, 1857.

1864 Br. H. Darus, v. Daniel O'Rourke.

1865 Br. H. Oackba//, v. Oakball.

1867 v. Polkan.

 

AGHIL AGA (Nr. 77).

(K. K. Militär-Gestüt Bábolna.)

Schw. St., gezogen in Bábolna, 1858, v. Aghil Aga a. d.

Schmed (Nr. 143).

1864 Sch. St. E/De/em, v. El Delemi.

1865 Sch. St. E/ De/em, v. dems.

1867 v. Ben Azet.

 

EMIR (K. K. Militär-Hengsten-Depot Drohowyze), Br. H., gezogen in Bábolna, 1860, v. Emir (Orig. Araber, aus dem Beduinenstamme Anaze Ruola, Race Saklavi) a. d. Schmed (Orig. Araber aus dem Beduinenstamme Vuold Ali,Race Meneghie).

 

AGHIL AGA (Nr. 41).

(K. K. Militär-Gestüt Bábolna.)

Br. St., gezogen in Bábolna, 1861, v. Aghil Aga a. d. Schmed (Nr. 143).

 

(Br. = Braun; Sch. = Schimmel; Schw. = Rappe; St. = Stute; H. = Hengst - Siehe auch Lesen von Shagya-Araber Pedigrees)

 

 

 

Marzalla (Mersuch (D) x Gazal VII/Kemir II)

 

 

Marzalla gehört in die Reihe der Stuten, die vor ihrem Einsatz in der Zucht "nur" ein paar Erfolge im Sport zu verzeichnen haben. Die FN-Erfolgsdaten listen für Marzalla vierjährig einen 5. Platz in einer Reitpferdeprüfung 1977. Danach ging sie in die Zucht und brachte, hauptsächlich in Anpaarung mit dem Elitehengst O'Bajar (Bajar x O'Bajan XIII/Kemir II) eine Reihe von hervorragenden Nachkommen, darunter sechs gekörte Hengste: 

 

 

Obelisk

 

Obelisk war Dressur bis L erfolgreich. Er wurde 1985 im VZAP gekört und legte seine HLP 1985 in Medingen mit einem Gesamtindex von 142,33 (Dressur 135,47 Springen 136,02)ab. 

 

Orotalt

 

Orotalt (1985) wurde 1987 gekört, 1989 folgte die HLP mit einem Gesamtindex von 108,53. Orotalt ist unter anderem Vater der Prämienstute Samora. 

 

Oman

 

Oman wurde 1982 gekört und später in die USA exportiert.  Sein Sohn Kamaloka ist Vater der in Dressur bis M** erfolgreichen Westfalenstute Kaprice 46 (Kamaloka x Rigoletto/Sinus xx) und dem im Springen bis M und im Gelände bis L erfolgreichen Shagya-Araber Hengstes Helios.

 

Osman 

 

Osman ging nach Österreich und legte seine HLP über Turnier ab.

 

Omar 

 

Omar deckte als O'Bajan in Österreich. Sein Sohn Odin legte seine HLP 2004 in Stadl Paura ab, war Sieger beim Europachampionat 2008 ging nach Frankreich. 

 

Osiris 

 

Osiris ist Vater des in Frankreich aufgestellten Shagya-Araber Hengstes Carol und des in über 30 M* Springen erfolgreichen Shagya-Araber Wallachs Jeremy (Sportnahme Jeremy O'Bajan (LGS 5119 €)). Osiris deckte spätestens ab 1990 in Italien. Der 1999 (Zuchtjahr FN 2000) geborene Jeremy (Osiris x Jeremias (1990)/Balaton (1972)) bestritt sein letztes erfolgreiches Turnier 2015 und war in diesem Jahr noch 7x platziert, unter anderem mit einem 1. Platz im M*.  Insgesamt verzeichnet die FN für Jeremy O'Bajan 117 Erfolge. 2008, als beim ANC-Turnier in Aachen noch Springen bis Klasse M ausgeschrieben wurden, siegte Jeremy im L Fehler/Zeit und wurde 2. im M* mit Stechen.

 

 

Gleicht man die Datenbanken von VZAP, ZSAA und die Shagya-Database ab, so hat Marzalla in 17 Zuchtjahren 14 Fohlen zur Welt gebracht. Ihr Sohn, der Wallach O'Marshari (1991) von O'Bajar war im Springen bis L platziert. Stimmen die Aufzeichnung in den Datenbanken, wurde die letzte weibliche Nachfahrin von Marzalla, die Stute Mokka aus der Momtaz, 1998 geboren und hat selber keine Fohlen bekommen. Aber wer weiß, die Datenbanken sind ja nicht immer vollständig. Vielleicht gibt es da draußen doch noch eine Stute, die Marzallas Linie fortführt. Aber auf jeden Fall lebt sie durch die Nachkommen ihrer Söhne weiter. Auch in Bábolna, dem Gestüt, in dem die Stute Schmed die Linie nach ihrer Ankunft 1857 begründet hat. Hier steht zur Zeit der Hengst Osama von Occident und Halbbruder meiner Stute Roxana. Er geht über seine Mutter Remira auf den Hengst Osiris und damit auf Marzalla zurück.  

 

 

 

 "Die österreichische Pferde-Ankaufs-Mission unter dem k. k. Obersten Ritter Rudolf von Brudermann, in Syrien, Palästina und der Wüste, in den Jahren 1856 und 1857"; E. Löffler; Herausgeber Otto Schüler's Buchhandlung, Troppau, 1860; Nachdruck 1978 Olms Presse

** "Babolna und seine Araber";Walter Hecker, Dr.; ISBN 10: 615506816X / ISBN 13: 9786155068164; Verlag: IAT Verlag, 2014

*** "Allgemeines österreichisches und ungarisches Gestüt-Buch. ERSTER BAND. Verzeichniss der im Kaiserstaate Oesterreich und in Ungarn befindlichen englischen, englisch-orientalischen und rein orientalischen Vollblut-Pferde nebst ihrer Abstammung." Mayr, Otto:Verlag: Wien. G. Ad. Ungár-Szentmiklósy., 1867